Klar wurde mir geholfen, doch nicht immer ist jemand zu Gegen. Es ist schon interessant, wenn man in seiner selbstverständlichen Bewegungsfreiheit plötzlich eingeschränkt ist und man merkt, dass selbst die einfachsten Sachen nicht mehr so gemacht werden können, wie man es ursprünglich gewohnt war. Zwar wird es bei mir wohl nur eine temporäre Einschränkung sein, doch wie sieht es bei Leuten aus, die einen Arm durch einen Unfall verlieren oder gar im Rollstuhl landen? Man gewöhnt sich daran und arrangiert sich damit, doch bleibt es eine Behinderung schon bei alltäglichen Handlungen.
Die linke Seite ist komplett zum Nichtstun verdonnert worden. Zwar bin ich Rechtshänder, doch wurde die rechte Hand ja auch schwer geprellt. Somit fehlte mir hier die Kraft und bei einigen Bewegungen kamen noch Schmerzen hinzu. Das Resultat dadurch war ein immerhin noch zwei Wochen andauerndes Martyrium in den eigenen vier Wänden bis die Prellungen endlich einigermaßen abgeheilt waren. Und auch in den Wochen danach war es noch nicht wirklich arg viel besser … nur die Schmerzen wurden weniger.
Die Probleme fingen ja schon beim Gang zum Klo an. Während man normalerweise sein Geschäft dort in ein paar Minuten erledigt hatte, so ging es nun fast eine Stunde. Und dabei stellte sich eine Sache als das größte Problem heraus: Wie wasche ich meine rechte Hand mit sich selbst? Die Linke konnte ich ja nicht zur Hilfe nehmen (geschweige denn waschen – das sollte erst ein paar Wochen später ansatzweise gehen). Doch zum Glück gibt es ja Flüssigseife, was zumindest schon mal eine kleine Hilfe war. Diese in der nassen Hand durch die Finger gleitend verrieben und entsprechend wieder abgewaschen. Und schon stand ich wieder vor dem nächsten Problem: Das Abtrocknen. Ein Handtuchhalter war neben der Tür in Kopfhöhe und so hielt ich das darauf liegende Handtuch mit meinen Zähnen fest und versuchte die rechte Hand daran trocken zu reiben ohne das Handtuch vom Halter zu ziehen. … nicht gerade einfach.
Weitere Probleme gab es bei der Nahrungsmittelversorgung. Wenn jemand zu Gegen war, so musste mir dieser mehrere Saftflaschen auf Vorrat öffnen, da ich sie selber ja nicht auf bekam. Als ich später wieder etwas mehr Kraft in meiner rechten Hand hatte behalf ich mir mit einer Rohrzange. Die Flasche selber hatte ich dabei unter meinen linken Arm geklemmt und stand mit angewinkelten Knien rückwärtig an der Küchenzeile, damit die Flasche noch einigermaßen auf der Arbeitsplatte stand. Ich hätte zuvor nie gedacht, dass das Öffnen einer Saftflasche so ein schwieriges Unterfangen werden könnte. Und was das Essen an geht, nun, mit Messer UND Gabel ging ja auch nicht. Also hatte ich mir des öfteren was bestellt, darauf achtend, dass es entweder mit einer Hand oder nur mit Gabel verzehrt werden kann. Zum Glück hatte eine Unfallversicherung mir sehr schnell bereits das Krankenhaustagegeld überwiesen.
Auch mit Klamotten war es so eine Sache. Meine sonst so geliebten Chucks konnte ich ja nicht anziehen – wie sollte ich sie binden? Doch hatte ich ja noch ein paar Halbschuhe, in die ich recht einfach rein kam. Auch stellte sich heraus, dass ich eigentlich nur zwei Hosen hatte, die ich zu bekam (mit entsprechender Kraftanstrengung und unter Schmerzen). Zumeist scheiterte ich an den Knöpfen. Auch T-Shirts oder Pullis konnte ich nicht anziehen – nur Hemden, voraus gesetzt die Ärmel waren weit genug. Und zum guten Schluss gab es dann zum Glück noch einen Mantel, in den ich mit dem geschienten Arm rein kam. Tja, die Auswahl war plötzlich sehr beschränkt.
Einst war ich auf dem Weg zum Arzt. Es regnete, und schon kamen wieder neue Probleme auf mich zu. Der Mantel sollte geschlossen werden. Den Versuch dazu bewerkstelligte ich auf dem Weg – nach und nach. Es war gar nicht so einfach, die Druckknöpfe richtig übereinander gelegt zusammen zu drücken. Bis ich den knapp über einen Kilometer langen Weg hinter mir gelassen hatte, war der Mantel endlich zu. Doch war das mal wieder nicht das einzigste Problem. Auf meiner Brille sammelten sich die Regentropfen. Mein Hut fehlte mir, den ich gerade bei solchem Wetter zu schätzen gelernt hatte.
Beim Arzt wollte ich meine Brille putzen. Ein Brillenputztuch hatte ich dabei. Die Brille bekam ich sogar mit zwei Fingern an der linken Hand und leicht gegen meinen Bauch gedrückt gehalten. Das Tuch konnte ich auch noch auf die Brille legen. Nur fehlte mir die Kraft um durch leichten Druck auch den feuchten Schmierfilm auf der Brille wirklich zu entfernen – ich verwischte es nur und man konnte noch weniger durch sehen. Irgend wann fragte ich einfach jemanden, ob er mir die Brille putzen könne.
Und es gab noch weitere Probleme, wie das Aufschließen der Haustür, weswegen ich einen kleinen Schraubendreher mir in den Mantel steckte. Oder auch nur wenn man mal seinen Geldbeutel öffnen wollte, vor allem wenn man keine Unterlage zum Ablegen hatte. Oder einfach nur eine Zigarette anzünden, wenn der Wind etwas stärker bläst. … und so weiter …
Doch was soll’s … irgend wie und irgend wann kam ich doch immer an mein Ziel.